Warum ich FOSS liebe und was sie bedroht

Manchmal gibt es Tage, an denen mir richtig bewusst wird, warum ich seit über 15 Jahren versuche überall wo es möglich ist freie Software einzusetzen, mit allen Vor- und Nachteilen.

Ich habe in der vergangenen Woche gleich mehrere schöne Erlebnisse mit dem Ökosystem gehabt, dass sich rund um Linux und freie Software in den vergangenen Jahren etabliert hat. Und ich wünsche mir, dass dies auch weiterhin so bleibt und noch viele andere Menschen so positive Erfahrungen mit FOSS machen dürfen.

Claws

Zum Einen war da ein kleine Problem mit Claws, dem Mailclient den ich derzeit benutze. Man kann claws auf der Kommandozeile so aufrufen, dass ein neues Compose Fenster aufgeht, das eine auf der Kommandozeile übergebene Email samt Anhang enthält. Leider wurde dabei der Account nicht automatisch anhand der Absenderadresse ausgewählt, so dass die Email dann im Sent-Ordner eines anderen Accounts landen konnte.  Im IRC-Channel der Developer dauerte es dann nicht einmal eine halbe Stunde vom Melden des Problems bis ich einen Patch hatte. Nachdem ich diesen getestet hatte, wurde die Änderung auch schon direkt in Claws übernommen und wird im nächsten ist im aktuellen Release enthalten sein. Undenkbar bei proprietärer Software.

Terminator

Dann gab es da einen Bug in Terminator, den von mir exzessiv genutzten Terminalemulator. Beim De-Maximieren wurde das Fenster bis zur Unkenntlichkeit verkleinert. Dank des öffentlich zugänglichen Debian Bugtrackers und der Möglichkeit per apt-get source den Quellcode zu bekommen, konnte ich zum Einen jemanden mit demselben Problem finden und dann auch noch selbst einen Hotfix bauen, der das Problem erstmal behoben hat. Da ich außerdem selbst im Bug diesen Hotfix beschreiben konnte ist den Entwicklern geholfen und dem anderen Anwender eventuell auch. Undenkbar bei proprietärer Software.

CMS-Suche

Für eine Webseite suche ich derzeit nach einem neuen CMS mit guter Unterstützung für mehrsprachige Seiten – was sich als gar nicht so kleines Problem darstellt. Ich konnte an einem einzigen Tag 5 verschiedene Systeme installieren und im irc mit dem Entwicklern die Features diskutieren. Und dabei ist es kein Tabu die verschiedenen Systeme direkt zu vergleichen und von den Entwicklern von System A den Hinweis zu bekommen sich doch mal C anzusehen. Und das alles ganz ohne Probelizenzen oder Supportvertrag. Undenkbar bei proprietärer Software.

Linuxkernel

Schon etwas länger ist es her, als ich zufällig über einen Fehler im Linuxkernel stolperte. Auch hier gab es die Situation, die ich bei Claws oben beschrieben hatte. Nur 4 Stunden nachdem ich den Bug im Ticketsystem geöffnet und mich im irc channel des Projekts gemeldet hatte, gab es einen Fix und er war im nächsten Release des Kernels enthalten. Ihr wisst schon was jetzt kommt: Undenkbar bei proprietärer Software.

Direkter Draht aka Rotes Telefon

Was mich bei alledem am meisten fasziniert ist, dass man per irc und mail eigentlich überall noch direkten Kontakt mit den Entwicklern bekommt. Diese können mit mir als Kunde direkt sprechen und Rückfragen stellen. Vor genau diesem Kontakt aber scheinen andere Angst, ja geradezu Panik zu haben. Ich frage mich woher das kommt.

Bedrohungen

Kommen wir zum zweiten Teil meines Titels. Was bedroht dieses Ökosystem?

In den vergangenen Monaten kämpfte ich mit einem Storagesystem eines größeren Herstellers und der proprietären Variante von Xen und musste festellen, dass hier doch einiges im Argen liegt.

Warum das proprietäre Xen?

Nun, das ist gewissen Rahmenbedinungen geschuldet, denn natürlich ging dem eine Evaluation voraus, bei der die Mitbewerber aus verschiedenen Gründen ausschieden. Sei es dass nicht verhindert wurde das zwei virtuelle Maschinen auf denselben iSCSI Storage zugriffen und damit das Dateisystem nachhaltig zerstörten oder das die Verwaltungssoftware einfach abstürzte. Beides ist in einer Produktivumgebung auf der alle zentralen Dienste laufen sollen nicht hinnehmbar.

Wir entschieden uns also für das proprietäre XenCenter, von dem es eine kostenlose Lizenz gibt wenn man gewisse Features nicht benötigt. Und ich muss sagen das funktioniert sogar relativ gut alles.

Aber was tötet nun FOSS?

Es sind direkt oder indirekt Firmen wie RedHat und SuSE/Novell. Und hier kommen wir zu einem zweischneidigen Schwert. Denn einerseits fördern beide direkt durch die Finanzierung und indirekt durch ihre Marktmacht die Entwicklung vieler Projekte und machen das Eine oder Andere gerade erst möglich. Schließlich müssen auch die Entwickler von Freier Software jeden Tag etwas essen und ein Dach über dem Kopf ist der Softwareentwicklung im Allgemeinen auch eher zuträglich.

Are you (in) the Enterprise?

Aber dann versucht man mit dem Hersteller eines Storage Systems nachzuvollziehen, warum denn die Performance weit hinter den Erwartungen bleibt. Und alles was diesem Hersteller einfällt ist an einem bestimmten Punkt die Probleme auf das eingesetzte Debian zu schieben – denn man unterstützt nur RedHat Enterprise Linux oder SuSE. Und natürlich keine der kostenlosen Varianten wie OpenSuSE oder CentOS.

Und dann stellt man fest, dass die Webseiten beider ‚Hersteller‘ es einem nicht einfach machen so etwas wie eine Testlizenz zu bekommen – jedenfalls nicht ohne die Eingabe persönlicher Daten und Emailadressen.

Binäres Rauschen

Fatal ist, dass der Hersteller zudem einige seiner Treiber tatsächlich nur für die genannten Plattformen anbietet. In der Praxis sieht das dann so aus, dass Binaries des device mappers ersetzt werden. Diese und die zugehörigen Bibliotheken wandern dann in das System und lassen sich natürlich auf anderen Systemen nicht nutzen. Ob und was der Hersteller an der Software geändert hat ist natürlich auch nicht dokumentiert. Anhand der Copyrighthinweise kann man aber erahnen, dass schlicht nur neuere Versionen des devicemappers auf die teilweise antiken aber voll unterstützten Enterprise-Umgebungen portiert wurden.

Schade ist auch, dass der Hersteller des Storage bei der Unterstützung der Plattformen so engstirnig vorgeht, dass sich sogar die plattformunabhängige Verwaltungssoftware (Java!) nur unter den genannten Betriebssystemen installieren lässt, was nicht nur an der Verfügbarkeit nur als rpm-Archiv liegt. Man könnte also wenn man wollte – man will nur nicht.

Fazit

Nicht nur als Privatanwender kämpft man immer wieder mit der Ignoranz vieler Hersteller – auch im so genannten ‚Enterprise‘-Markt gibt es massive Probleme mit Herstellern, die keinen offenen und transparenten Entwicklungsprozess pflegen. Das diese Abschottung aber gerade die Vorteile der von den Herstellern genutzten  Plattformen unterminieren ist ihnen scheinbar nicht klar oder schlicht egal. So ist es weder bei  dem Hersteller des Storage noch bei Xen möglich in irgendeiner Form direkt mit Entwicklern zu sprechen, geschweige denn Informationen zu erhalten, die nicht durch den Konzern freigegeben sind.

Und hier lauert im  ‚Enterprise‘-Markt eine Bedrohungen, die uns die kommenden Jahre denke ich noch beschäftigen wird. Die eigentlich offenen und freien Systeme werden vernagelt und verrammelt,  Treiber durch die Hersteller weiterhin nur als binärer Müll weitergegeben und Support für Fremdsysteme verweigert. So kann keine Innovation entstehen.

Schade eigentlich.

 

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