Man kann sich schon wundern, wie schnell die Regierung einen neuen Wirtschaftsminister gefunden hat. Wie aus dem Nichts war er da, niemand kannte ihn vorher, selbst die Zeitungsredaktionen waren darauf angewiesen ihre dürftigen Informationen aus der Wikipedia zu beziehen.
Und so wundert es nicht, dass unserem Wirtschafsminister ein Vorname angedichtet wird, und auch sonst einige ungeprüfte Fakten über ihn verbreitet werden.
Es scheint aber so, als würde auch unser Wirtschaftsminister selbst nicht mit offenen Karten spielen. Guttenberg selbst hat in Interviews stets von seinen „Erfahrungen im Familienunternehmen“ gesprochen – und einige echte Journalisten haben sich tatsächlich die Mühe gemacht, die dpa-Meldung mal nachzurecherchieren.
Bei ihren Nachforschungen stellten sie dann fest, dass weder das Wirtschaftsministerium noch die CSU Auskunft geben konnte, um welches Unternehmen es sich handelt. Man bekam vom Wirtschaftsministerium sogar die Adresse einer Baustofffirma gleichen Namens genannt, deren Geschäftsführer aber wohl Christoph Frhr. von Guttenberg und eben nicht Karl-Theodor zu Guttenberg ist.
Was die Journalisten jedoch herausfanden ist, dass es durchaus eine GmbH gibt, deren Geschäftsführer unser Wirtschaftsminister war. Dieses Familienunternehmern mit ca. 3 Angestellten hatte jedoch lediglich die „Verwaltung des eigenen Vermögens“ als Zweck.
Es ist schon verwunderlich, warum man in der CSU nicht wenigstens einen echten Unternehmer zum Wirtschaftsminister machen konnte.
Das Video der Sendung ZAPP (NDR) findet sich bei YouTube unter dem Titel: Die peinliche Wahrheit über Wirtschaftsminister Guttenberg!
Ahnungslos, aber betroffen…
Seine Rolle im Aufbau der deutschen Zensurinfrastruktur ist auch alles andere als rühmlich. Er verkündet doch tatsächlich öffentlich:
Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben. Das ist nun wirklich eines der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht. (Karl-Theodor zu Guttenberg, u.a. ausgestrahlt in der Tagesschau)
Ich muss sagen: Mich macht es nicht nur betroffen sondern wütend, wie schlecht beraten dieser Minister hier offenbar wurde. Er hat selbst offenbar den Text der Online-Petition nicht ein einziges Mal gelesen, sonst wüsste er, dass es eben keinen Grund gibt, wegen der Meinung von mittlerweile 90000 Menschen in diesem Land betroffen zu reagieren.
Es ist schon erschreckend, dass ein Politiker betroffen reagiert, wenn er damit konfrontiert wird, dass Bürger eine andere Meinung vertreten als er selbst.
Aber schauen wir doch einmal kurz die Verwandschaftsverhältnisse an.
Familiärer Lobbyismus
Verheiratet ist Herr von Guttenberg mit Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen, der
Präsidentin der deutschen Dependance des Vereins „Innocence in Danger“.
Dieser Verein ist es auch, der die Mär von den 23 Millionen (dort übrigens Dollar) Umsatz der sogenannten Kinderporno-Industrie verbreitet. Dafür gibt es keinerlei Belege. Auch nicht im Familienministerium, dass nur die Auskunft gibt, zu derartigen Zahlen lägen keine Erkenntnisse vor. Interessant, oder?
Auch fordert dieser Verein noch strengere Gesetzte zur Zensur des Internets, um den „Jugendschutz“ im Internet voll durchzusetzen.
Nun frage ich mich: Welcher Internetserviceprovider in Deutschland schließt bitte mit nur eingeschränkt geschäftsfähigen Personen einen Vertrag ab? Wie kommen die ganzen Kinder und Minderjährigen denn bitte ‚ins Internet‘?
Sind es nicht etwa Eltern, Betreuer, Lehrer und andere, die Kinder und Jugendliche unbeaufsichtigt das Internet nutzen lassen? Ist es ein Wunder, dass bei Abwesenheit von Aufsicht, Aufklärung und Erziehung Dinge schieflaufen?
Es geht nicht um die Kinder!
Wer ernsthaft den Jugendschutz im Internet durchsetzen will möge bitte ersteinmal dafür sorgen, dass:
- Kinder nicht mehr durch Zigarettenrauch geschädigt werden
- Beratungsstellen und Notunterkünfte genügend Geld erhalten
- Jugendtreffs nicht geschlossen werden müssen
- Jugendliche eine Ausbildung erhalten und einen Job, auch wenn es „nur“ ein
Staatsbetrieb ist, der ohne Gewinn arbeitet
- Medienkompetenz in Schulen unterrichtet wird
- Polizei und Ermittler vernünftig geschult werden und genügend Geld erhalten
Leider gibt es mit diesen Forderungen ein Problem: Sie kosten erstens Geld und sind zweitens nicht Wahlkampftauglich. Ausserdem dauert es mitunter, bis Effekte zu sehen sind.
Würde es Frau von der Leyen tatsächlich um den Schutz von Kindern gehen, hätte sie die letzen Jahre vielleicht einfach mal an den internationalen Konferenzen zu diesem Thema selbst teilnehmen sollen. Man hätte die Zeit auch nutzen können, um eine europaweite Zusammenarbeit beim Abschalten entsprechender Webseiten zu vereinbaren.
Es ist mir mir unbegreiflich, wie ein Verein wie Carechild auf einer Liste, die nach Aussage der Behörden selbst mittlerweile zwei Jahre alt sein soll, noch eine zweistellige Zahl von Webadressen finden konnte, die kinderpornographisches Material enthielten und deren Betrieb aus der EU erfolgte, auch aus Deutschland!
Der Staat als Dulder von Kindesmissbrauch?
Dies bedeutet: Ein Staat hat Kenntnis darüber, dass dort möglicherweise noch Kinder missbraucht werden, gibt sich jedoch damit zufrieden, dass die eigenen Bürger dies nicht sehen müssen. Er unterlässt es jedoch, das Land in dem der Server physikalisch steht zu informieren, was dort geschieht. Meiner Meinung nach müsste man hier den Ersteller der Liste wegen unterlassener Hilfeleistung und Begünstigung einer Straftat belangen, aber ich bin kein Jurist.
Übrigens: Verwendet man auf einer satirischen Webseite ein Logo eines Bundesministeriums, wird die Seite innerhalb einer Woche geschlossen, indem der Provider angeschrieben wird!
Ein interessantes Video, wieder von Zapp, zur PR von Frau von der Leyen:ZAPP: Von der Leyen – Viel Show und wenig Konkretes
Schade eigentlich. Man könnte mit ein wenig gutem Willen und einem Bruchteil der Bankenrettungsfonds tatsächlich viel für die Kinder erreichen.
Falsches Spiel
Ein weiterer Aufreger sind die falschen Zahlen, mit denen operiert wird. Nicht nur, dass man das Thema Kinderpornographie nicht vernunftig diskutieren kann, weil mann immer sofort in die Ecke gestellt wird, man sei ja ein Unterstützer von Kindesmissbrauch, nein, es werden auch bewusst falsche und völlig übertriebene Zahlen benutzt.
So erfolgte angeblich ein Anstieg von über 100% bei den Fällen von Kinderpornographie. Jeder der nur ein wenig Ahnung von Statistiken hat, sollte jetzt laut aufschreien. Was ist passiert, damit es diesen enormen Anstieg geben konnte?
Nun, das eine ist, dass mehr Fälle in die Statistik gekommen sind, weil mehr Ermittelt wurde. Das andere ist jedoch, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Denn der Anstieg der Fallzahlen bezieht sich lediglich auf die Anzahl der Ermittlungsverfahren.
Es ist ja noch nicht einmal klar, um wieviele Verdächtige es hier geht, weil bei der Operation Himmel und anderen zunächst nur IP-Adressen ermittelt wurden. Dabei können durchaus eine bis 10 unterschiedliche Adressen zu einem einzelnen Verdächtigen führen.
Und der nächste Skandal ist, dass von diesen Verfahren wohl über 90% eingestellt wurden, da man den Verdächtigen nichts nachweisen konnte, oder weil sie nicht bewusst auf diese Seiten gelangt sind, die hier überwacht wurden.
Auch hier antwortet das Familienministerium übrigens auf eine Anfrage von Herrn Tauss, es lägen keinerlei Erkenntnisse vor, wieviele Ermittlungsverfahren eingeleitet, abgeschlossen, eingestellt oder mit einem Verfahren fortgesetzt wurden.
Daraus kann man nur folgern, dass das Familienministerium diese Zahlen gar nicht wissen möchte!
Verdrehte Fakten, fehlende Erkenntnisse
Die weiteren Argumente des Familienministeriums werden in einem Gastbeitrag in der Zeit übrigens sehr schön zerlegt.
Die fehlenden Zahlen des Familienministeriums können übrigens, inklusive dem Antwortschreiben, auf der Webseite von Herrn Tauss nachgelesen werden: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor.
Man fühlt sich für Dumm verkauft
Mich als durchschnittlich intelligenten, hoffentlich aufgeklärten Bürger, macht es mittlerweile fassungslos und wütend zugleicht, mit welch fadenscheinigen Argumenten hier Privatinteressen von Politikern zu Lasten einer Nation durchgedrückt werden sollen.
Es scheint tatsächlich einen neuen Generationenkonflikt zu geben, und zwar gleich in beiden Richtungen.
Der doppelte Generationenkonflikt
Diejenigen, die heute als Politiker die Interessen des Volkes vertreten sollen, sind durch die Bank Berufspolitiker. Was einerseits im Sinne einer professionalisierung des Betriebs durchaus wünschenswert sein kann, hat jedoch tatsächlich fatale Folgen für das Tagesgeschäft.
Über Jahre musste diese Elite sich in den Parteien hocharbeiten, stets darauf Bedacht sich keine Feinde zu machen, die Parteilinie zu vertreten, nicht zu stark negativ aufzufallen, es allen Recht zu machen. Dies erzeugt Politiker ohne eigene Meinung, ohne Rückrat.
Diese Politiker sind ihren Gönnern verpflichtet, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Sie haben oft kein echtes weiteres Standbein, sind auf die Politik und die damit verbundenen Posten als Einkommensquelle angewiesen.
Adenauer würde sich im Grabe umdrehen, dessen bin ich mir sicher.
Während es hier also einen Generationenkonflikt gewissermaßen nach Oben gibt, haben die Entwicklungen der letzten Jahre außerdem eine Spaltung nach unten vollzogen.
Neudeutsch wird hier von den „digital natives“, den digitalen Ureinwohnern gesprochen.
Es sind jene, die mit dem Internet als neues Medium aufgewachsen sind, jene, die eine Unterhaltung via IRC als ebenso echt und persönlich empfinden wie andere ein Telefonat.
Die Generation der „Internetausdrucker“ hingegen sieht das Internet vornehmlich als Gefahr für die Seele des Menschen. So wie die Gegner der Dampflock der Meinung waren, ein Mensch käme zu Tode, bewege er sich mit höheren Geschwindigkeiten, damals also 30 Stundenkilometer, fort.
Diese Generation sieht im Internet lediglich ein Mittel zum Daten und Informationsaustausch, wenn überhaupt.
Krass fällt dies auf, wenn man sich die Folge der Kinderreporter ansieht, in der unsere Justizministerin sich nicht erinnern kann, was ein Browser ist – gut, muss sie auch nicht. Wirklich nicht, aber entlarvend fand ich die Arroganz, mit der eines der Kinder gefragt wurde, ob es denn auch eine eigene Homepage habe, und stolz davon berichtete, dass dies der Fall sein. Das Gesicht des Herrn Struck ist in diesem Moment wirklich sehenswert. (für die Ungeduldigen bei 2:13)
siehe hier.
Dieser Bericht der Kinderreporter kann einem wirklich die Augen öffnen, wie stark die Nutzung des Mediums Internet sich unterscheidet und wie unterschiedlich es wahrgenommen wird.
Die neue Arroganz der Obrigkeit
Dabei stehe ich nicht auf dem Standpunkt, dass Frau Zypries die verschiedenen Browser aufzählen können muss, aber ich verachte die Arroganz, mit welcher die Kinderreporter hier behandelt werden, und diese zieht sich mittlerweile durch weite Teile der Politik.
Für mich gipfelt sie bisher in den Äusserungen des Herrn Wiefelspütz, der sich vielfach zu Schade ist, dem Untertan zu antworten. Man darf dann lesen:
mir gefällt der Ton Ihrer Frage nicht. Es fehlt Ihnen an Respekt. Suchen sie sich einen anderen Gesprächspartner. (Wiefelspütz auf abgeordnetenwatch.de)
Dem vorangegangen war eine Anfrage, die Herr Wiefelspütz recht „drollig“, man könnte auch sagen typisch arrogant, beantwortet hatte, welche wiederum die folgende, als respektlos empfundene, Nachfrage eines Bürgers auslöste:
Sehr geehrter Herr Dr. Wiefelspütz,
gehe ich recht in der Annahme, dass Wahlkampf aggressiv macht, oder entspricht es Ihrer allgemeinen Auffassung von Demokratie, dass man als innenpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion Menschen, die sich mit ihren Fragen und Ängsten an Sie wenden, anpöbeln und mit unsachlichen Äußerungen wie „DNS, TLD, GAGA, GOGO, TRALAFITTI oder was?“ zum Narren halten sollte, anstatt, wie man es von einem Volksvertreter erwarten würde, auf deren Fragen und Argumente einzugehen?
Aber gut, der Bürger, den er ja vertreten soll, ist ihm wohl egal:
„das Gesetzgebungsverfahren werde durch die Petition „nicht beeinträchtigt“. Zwar sei es „das gute Recht“ eines jeden, Bürgerbegehren einzureichen. Die Maßstäbe der Internet-Gemeinde seien aber „teilweise undifferenziert“.“
Aha. Wiefelspütz wurde dann gebeten, diese Äußerung doch mal näher zu erläutern, darauf seine Einlassung:
der Kölner Stadtanzeiger hat mich korrekt zitiert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Meine Erklärungen gegenüber der Presse erläutere ich nicht, weil ich mich klar, deutlich und allgemeinverständlich ausdrücke.
Fazit
Ich kann mich eigentlich nur noch dem Tagesspiegel anschließen: Der Staat wird zum Problem: Peng Du bist tot!.
Auf die Politikverdrossenheit folgt der Ekel.